Argumente

Die chinesische Gesellschaft Xinjiang Goldwind Science & Technology ist einer der Marktführer im Reich der Mitte und der global bekannteste Windturbinen-Produzent aus China. Neben dem Bau von Turbinen konzipiert, baut und betreibt das Unternehmen zunehmend auch eigene Windparks, mittlerweile verfügt Goldwind weltweit über mehr als 1.000 solcher Einrichtungen. Darüber hinaus hat die Gesellschaft bereits mehr als 35.000 Windturbinen in 27 Ländern installiert, die Gesamtleistung beläuft sich auf mehr als 60 Gigawatt. Ähnlich wie Vestas generiert auch Goldwind Erträge aus der Wartung und Reparatur der verkauften Anlagen. Das erste Halbjahr 2021 lieferte aus Sicht der Aktionäre gemischte Ergebnisse. Zwar ging der Umsatz im Jahresvergleich von 2,5 Milliarden auf 2,3 Milliarden Euro zurück, die Profitabilität konnte jedoch stark zulegen. So verbesserte sich der Nettogewinn auf 250 Millionen Euro, dieser hatte sich 2020 noch auf 230 Millionen Euro belaufen. 

Das Pfund des Unternehmens ist der starke einheimische Markt. Allein im vergangenen Jahr hat China nochmals 58 Gigawatt an Leistung ausgebaut, die Gesamtleistung der in Deutschland bestehenden Anlagen beläuft sich im Vergleich hierzu auf 55 Gigawatt. Mehr als die Hälfte der weltweit ausgebauten Leistung entfiel im vergangenen Jahr auf den chinesischen Markt. Im Rahmen des Plans der chinesischen Regierung, bis zum Jahr 2060 CO2-neutral zu sein, dürfte auf den einheimischen Marktführer auch in den kommenden Jahren ein erhebliches Auftragsvolumen zukommen.

Risiken bestehen in Verbindung mit Goldwind vor allem durch den nach wie vor hohen Fokus auf den inländischen Markt. Hieraus ergeben sich ähnliche regulatorische Risiken, die man in den vergangenen Monaten auch bei den chinesischen Tech-Aktien beobachten konnte. Zudem unterliegt die Förderung der Windkraft in China noch hohen Subventionen. Eine Reduktion dieser Zahlungen könnte Goldwind, aufgrund der hohen Bedeutung des domestischen Markts, stärker treffen als die Konkurrenz. Zudem halten sich Gerüchte, dass Goldwind eines von fünf chinesischen Unternehmen sein könnte, welches auf die „Entity List“ des US-Handelsministeriums platziert werden könnte. Um Geschäfte mit Unternehmen aus dieser Liste abwickeln zu können, braucht es in diesem Fall die Genehmigung des Ministeriums. Hierdurch erhöht sich der administrative Aufwand bei Kunden, die Durchsetzung von Importstopps wird dem Gesetzgeber ebenso vereinfacht. Die gebündelten politischen Risikofaktoren lassen ein Investment in die Goldwind Aktie derzeit unattraktiv erscheinen, zumal der Kurs derzeit im Bereich des Allzeithochs der Aktie verläuft. 

Vestas Wind Systems konnte sich lange Zeit als Marktführer in der Windenergie bezeichnen, der Gesellschaft wurde diese Position im vergangenen Jahr durch die Konkurrenten GE und Goldwind jedoch abgenommen. Mit einer installierten Gesamtleistung von 12 Gigawatt rangiert Vestas nunmehr auf dem dritten Platz im globalen Ranking. Nach wie vor betreibt Vestas jedoch 18 Prozent der globalen Windenergieanlagen, die 140GW installierter Leistung ermöglichen. Hieraus resultieren beträchtliche Umsätze aus der Wartung der Windturbinen. Insbesondere die Offshore-Turbinen sind weltweit gefragt, Vestas kann den Ausbau dieses Marktes begleiten, über Niederlassungen und Tochtergesellschaften bedient der Windkonzern 85 Ländern. Zuletzt musste das Unternehmen, im Rahmen der Präsentation der Zahlen für Q2 2021, die Prognosen für das laufende Geschäftsjahr um rund 0,5 Prozent nach unten korrigieren. Fehlende Komponenten und Produktionseinschränkungen, beide verursacht durch die Pandemielage, führen zu einer Korrektur des erwarteten Umsatzwachstums auf einen Wert zwischen 15,5 und 16,5 Prozent. Die Entwicklungstendenz verbleibt hiermit aber ungetrübt gut.

Seit Jahren wächst der Umsatz beim dänischen Anlagenhersteller kontinuierlich, zuletzt nochmals deutlich auf 14,8 Mrd Euro. Die Profitabilität ist, wie in der gesamten Branche, in den vergangenen Jahren von deutlich zweistelligen Werten auf rund 5 Prozent gefallen. Der erhöhte Wettbewerbsdruck und Auktionsverfahren in der Vergabepraxis für neue Anlagen drücken die Margen. Die finanzielle Situation sieht bei Vestas jedoch sehr positiv aus. Der Verschuldungsgrad befindet sich im Bereich eines jährlichen EBITDAs. Die liquiden Mittel in Höhe von 1,8 Milliarden Euro erlauben der Gesellschaft ebenfalls Flexibilität in Bezug auf Entwicklungsinvestitionen oder der Akquise von Unternehmen. In Verbindung mit der guten Marktposition in einem stark wachsenden Sektor deuten diese Zahlen auf eine gute Unternehmensführung und eine solide Kalkulation hin.

Fragen hinsichtlich Vestas bestehen vor allem in Verbindung mit der Bewertung der Aktie. Der Kurs schwankt derzeit um ein KGV von 35. Historisch lag das Unternehmen in den vergangenen Jahren bei einem Wert von 20 oder weniger. Die Geschäftsentwicklung fällt zwar weiterhin gut aus, grundlegende Änderungen in dieser Entwicklung haben sich jedoch nicht ergeben. Vestas Wind Systems ist ein grundsolides Unternehmen mit etabliertem Geschäft und starker Kundenbasis. Ein Investment in die Aktie ist nicht zuletzt aufgrund der Entwicklung der Branche eine Alternative für Anleger. Die hohe Bewertung könnte das Potenzial des Investments jedoch auch mittelfristig reduzieren.

Auch technologisch zählt Siemens Gamesa zu den Innovationsführern. Die Turbine „SG14-222“ wurde vergangenes Jahr vorgestellt und ist die derzeit größte Windturbine auf dem Markt. Diese kann on- sowie offshore installiert werden und soll Leistungen bis zu 14 Megawatt ermöglichen. Die Vorbestellungen wurden bereits ermöglicht, Innogy hat 100 Exemplare für einen Windpark in Bulgarien bestellt. Die Auslieferungen sollen im Jahr 2024 starten. Gerade im Offshore-Sektor wird die Konkurrenz vor allem durch Vestas und General Electric immer größer. General Electric möchte 2023 mit der Auslieferung der „Haliade-X“ starten, die bis zu 13 Megawatt leisten kann. Vestas löste das Joint Venture mit MHI für den Offshore-Markt auf und plant bis zum Jahr 2025 hohe Investitionen in diesem Bereich.

In Verbindung mit Orsted, ITM Power und Element Energy experimentiert Siemens Gamesa zudem im Bereich der Wasserstofferzeugung. Das Konsortium platziert Elektrolyseure direkt in den Windkraftanlagen, um Wasserstoff zu erzeugen. Die erzeugte Energie wird noch in der Anlage zur Wasserstofferzeugung genutzt und nicht ins Netz gespeist. Sollte sich diese Anlage als kommerziell rentabel erweisen, hätten die Aktien der beteiligten Unternehmen weiteres enormes Kurspotenzial. In der gegenwärtigen, frühen Phase sollten Anleger vorerst jedoch nicht auf dieses Szenario bauen.

Die zunehmende Konkurrenz im Bereich der Offshore Windenergie könnte für Siemens Gamesa noch problematisch werden. Die Entwicklungskosten dürften durch den Wettbewerb steigen, die profitable Nische nicht mehr so einfach zu bedienen sein wie in der Vergangenheit. Neue, auktionsbasierte Vergabeverfahren in einigen internationalen Märkten könnten hierzu ebenfalls beitragen. Bereits heute erreicht das Unternehmen nicht mehr die Profitabilitätszahlen, die noch vor wenigen Jahren möglich waren. Befand sich die bereinigte EBIT-Marge bis 2016 noch im Bereich der 10 Prozent, so sinkt sie seither kontinuierlich und fiel im Jahr 2020 sogar in den negativen Bereich. Anleger sollten beobachten, ob die fundamentale Geschäftsentwicklung bei Siemens Gamesa im Jahr 2021, ohne die Sondereffekte durch Corona, wieder profitabler ausfällt. Erst dann ist eine seriöse Bewertung des gegenwärtigen Kursniveaus wieder möglich.

Wie in anderen Branchen auch, unterliegen Windenergie Aktien einigen branchenspezifischen Eigenschaften und Besonderheiten. Zunächst wäre hier die enge Verzahnung mit der Politik und deren Entscheidungen zu nennen. Während Investitionsprogramme und Ausbauankündigungen weltweit immer mal wieder für Furore bei den Aktionären sorgen, so bewirken verpasste Ausbauziele oder kontraproduktive Gesetzgebung oftmals den gegenteiligen Effekt. Nicht zuletzt aus diesem Zusammenhang heraus resultieren die starken Schwankungen der Aktienkurse dieser Branche.

Eine weitere Besonderheit ist die hohe Marktmacht der zentralen Anbieter. Auf diesem stark konsolidierten Markt errichteten Goldwind, General Electric, Vestas und Envision im vergangenen Jahr mehr als die Hälfte der weltweit ausgebauten Windturbinen. Die kostenintensive Produktion und Errichtung lässt hier kaum Raum für kleinere Unternehmen, an der Börse dominieren somit Aktien mit höherer Marktkapitalisieurung und geringerem Potenzial zur Vervielfachung.

Ein Investment könnte sich jedoch dennoch lohnen, sofern Anleger einen mittel- oder langfristigen Zeithorizont betrachten. Kaum eine Branche dürfte in den kommenden Jahren so nachgefragt sein wie die Windenergie, die weltweiten Klimaziele sind ohne diese Energieform unerreichbar.

Die Offshore Windkraft spielt aktuell noch eine untergeordnete Rolle im Sektor der Windenergie. Ende 2020 belief sich der Anteil der Wasser-Windparks an der globalen Kapazität erst auf 4,4 Prozent (32,5 Gigawatt). Die US-Großbank J.P. Morgan geht davon aus, dass der Offshore Windpark das am stärksten wachsende Investitionsgut der kommenden Dekade sein wird und prognostiziert über diesen Zeitraum ein jährliches Marktwachstum von 21 Prozent. Besonders interessant ist der Einsatzzweck der Anlagen zur Erzeugung grünen Wasserstoffs. In der britischen Hafenstadt Grimsby wird ein Konsortium um den norwegischen Unternehmen Orsted und Siemens Gamesa das Projekt "Oyster" betreuen. Ziel ist der Betrieb einer in die Windenergieanlagen integrierten Elektrolyse, die eine Leistungsfähigkeit im Bereich von Megawatt ermöglichen soll. Die Verbindung der Windkraftanlagen mit dem Thema Wasserstoff könnte die Aktienkurse der beteiligten Unternehmen im Erfolgsfall erheblich pushen.

Eine besonders interessante Aktie im Zusammenhang mit der Offshore Windkraft ist das norwegische Unternehmen Orsted. Der Energiekonzern ist derzeit der weltweit größte Betreiber von Offshore Windkraftanlagen, rund ein Viertel der weltweiten Kapazität wird durch Orsted betrieben. Das Unternehmen zählte zu den Pionieren der Windenergie auf dem Wasser und will das eigene Portfolio nun stark ausbauen. Durch Investitionen in Höhe von 47 Milliarden Euro bis 2027 möchte der Energiekonzern der weltweit größte Anbieter für Ökostrom werden. 2030 plant man, jährlich 50 Gigawatt Ökostrom zu produzieren, wovon 30 Gigawatt aus dem Offshore-Geschäft einfließen sollen. Aus diesen Zielen resultiert die weltweit größte Pipeline an geplanten Offshore-Projekten, ein erheblicher Teil der 47 Milliarden Euro dürften der Windenergie zu Gute kommen.

Dies sind auch gute Nachrichten für Siemens Gamesa. Orsted setzt bei fast allen europäischen Projekten auf die Windturbinen der Siemens-Tochter, die enge Zusammenarbeit sollte auch positive Effekte für den Zulieferer haben. Für zwei neue US-Windparks hat sich das Unternehmen kürzlich jedoch für Turbinen von General Electric Renewable Energy entschieden. Hier dürften letztlich auch lokale, logistische Faktoren eine Rolle bei der Entscheidungsfindung gespielt haben.

Für Anleger stellt sich bei erneuerbaren Energien zunächst die Frage, ob sie in Solar- oder Wind-Aktien investieren sollen. Beide Sektoren haben Aktionäre in der Vergangenheit durch volatile Kursbewegungen unter Stress gesetzt, beide Industrien unterliegen zur Ausschöpfung ihres vollen Potenzials den Entscheidungen der Politik. Diese Analyse soll die Marktposition und das Potenzial der Windenergie in den Vordergrund stellen, da derzeit einige Entwicklungen für ein Investment in diesen Energieträger sprechen.

In Deutschland leidet die Windkraft unter Abstandsregeln und Artenschutzbestimmungen. Das erste Halbjahr 2021 konnte in Bezug auf den Ausbau aber eine Trendumkehr bewirken. Die Windindustrie errichtete 240 Windkraftanlagen, im Vergleich zum letzten Jahr bedeutet dies ein Plus von 62 Prozent. Global gesehen entspricht Deutschland somit wieder mehr dem Trend zum Ausbau der erneuerbaren Energien. 2020 war mit weltweit 93GW neuer Kapazität das bisher erfolgreichste Ausbaujahr! Insbesondere China schiebt den Markt an, und die einheimischen Unternehmen, an. Im vergangenen Jahr investierte die Volksrepublik 135 Milliarden US-Dollar in die Energiewende, knapp ein Prozent ihres BIP! Diese Gelder fließen nicht nur den erneuerbaren Energieformen zu, deren Rolle in der Energiewirtschaft der Zukunft ist jedoch unbestritten - sei es bei der Erzeugung grünen Wasserstoffs, zum Ausgleich von Bedarfsspitzen oder als Bestandteil des Energiemixes. Die weltweit installierte Gesamtleistung lag zum Ende des vergangenen Jahres bei 742,69 Gigawatt. Insbesondere im Zusammenhang mit Offshore Windkraftanlagen besteht Hoffnung, dass der Ausbau weiter an Dynamik gewinnt. Der 2020 mit 125 Milliarden Dollar bewertete Weltmarkt soll, laut einer Marktanalyse der Research-Gesellschaft "Global Market Insights", auf mehr als 180 Milliarden Dollar anwachsen.

Die Zahlen sprechen für das Wachstum der Branche, aber lohnt es derzeit in Windenergie Aktien zu investieren? Die Bewertung der Aktien ist in den letzten 12 Monaten teils stark gestiegen. Vestas liegt derzeit bei einem KGV von etwa 35, die Aktie der Nordex SE ist mit einem Kurs-Gewinn-Verhältnis von mehr als 800 bewertet! Kurzfristige Preiseffekte waren immer Teil der Wind Aktien, für Aktionäre können sich durch längerfristige Investments oder durch die Auswahl von Aktien in den richtigen Nischen dennoch Renditechancen ergeben.

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Besprochene Aktien

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Orsted A/S

Dieses ehemals unter dem Namen Dong Energy bekannte Unternehmen zählt zu den größten europäischen Energieunternehmen. Oersted fokussiert sich dabei auf Dänemark, Schweden, Deutschland, Großbritannien und die Niederlande als Kernmärkte. In den vergangenen Jahren hat das Unternehmen von Öl- und Gasförderung auf Windenergieproduktion umgestellt und besitzt in diesem Segment nun die Marktführerschaft im Bereich der Offshore-Produktion.