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In Europa beschleunigt sich der Absatz vollelektrischer PKW immer mehr. Zuletzt stieg in Deutschland beispielsweise der Anteil der Elektro-PKW an den Neuzulassungen erstmals auf mehr als 20 Prozent. Eine ähnliche Entwicklung zeigt sich auch auf dem weltweit mittlerweile größten Fahrzeugmarkt - in China. In Bezug auf die Elektromobilität handelt es sich hier gar um die Vorreiter. Zwischen den Jahren 2014 und 2019 stieg der Absatz vollelektrischer PKW jährlich um circa 80 Prozent, sodass in 2019 57 Prozent der weltweiten Neuzulassungen in der Volksrepublik verzeichnet wurden. Die einheimischen Produzenten besitzen hierbei eine dominierende Marktstellung. 85 Prozent aller Verkäufe gingen auf ein einheimisches Produkt zurück. Seitdem die Zentralregierung die hohen Förderungen der Fahrzeuge sukzessive zurückgefahren hat, hat sich diese Dynamik ein wenig verlangsamt.

Die Produktionskapazitäten sind in den vergangenen Jahren stark angestiegen, die chinesische Autoindustrie verfügt laut Angaben der Nationalen Entwicklungs- und Reformkommission NDRC über ein Fertigungspotenzial von 27 Millionen E-Autos, zugelassen wurden im Jahr 2020 aber lediglich 1,4 Millionen. Hieraus ergibt sich eine Auslastung von rund 5 Prozent. Im Zuge dieser Entwicklung litten zuletzt auch die Aktienkurse der chinesischen Automobilproduzenten. Die Halbleiterkrise sowie die harten Corona-Maßnahmen innerhalb Chinas begrenzten das Potenzial der Hersteller, zuletzt beschleunigte sich der Absatz der Fahrzeuge jedoch wieder deutlich. Die aktuellen Kurse der Aktien könnten sich für interessierte Anleger als Einstiegsmöglichkeit erweisen. Wie stehen hierzu die Chancen einzelner Hersteller, insbesondere der neuen, noch jungen Unternehmen?

Ein erstes interessantes Unternehmen ist der Produzent Li Auto. Das Unternehmen wurde ursprünglich spezifisch mit dem Ziel gegründet, die Brücke zwischen konventionellen und vollelektrischen Fahrzeugen zu schlagen. Bisher hat das Unternehmen ein einziges Modell veröffentlicht. Das Modell „Xiang One EREV“ setzte von Beginn an auf eine große elektrische Reichweite, kombiniert mit einem kleinen Verbrennungsmotor, der als Range Extender dient. Das Konzept ähnelt den ersten BMW i3, die in Europa abgesetzt wurden. Das Modell ist ein familientauglicher SUV und findet bei den chinesischen Käufern Anklang. Der Xiang One ist das meistverkaufte Hybrid-SUV in China und zählt regelmäßig zu den 10 meistverkauften Fahrzeugen mit alternativen Antrieben. Innerhalb der ersten 5 Jahre nach Unternehmensgründung konnte Li Auto somit ein rasantes Wachstum aufweisen.





Die Konzentration auf ein einzelnes Modell mit Fokus auf eine große Zielgruppe bietet dem Unternehmen weitere Vorteile. So ist Li Auto äußerst profitabel. Die Bruttomarge des Unternehmens belief sich im dritten Quartal 2021 auf 20 Prozent und lag somit lediglich 3 Prozent hinter der Profitabilität von Tesla zurück. Die Bruttomarge ist ein wichtiger Anhaltspunkt für Anleger zur Bewertung der Aktie. Unternehmensgründer Li Xiang betonte mehrfach, dass sein Unternehmen im aktuellen Abschnitt der Strategie mittelfristig auf eine Marge von 25 Prozent zielt, um die hohen Investitionen in die eigene Infrastruktur und die Modellentwicklung zu finanzieren.

Die Investments fließen derzeit in den Aufbau einer neuen Fabrik in Peking sowie die Erweiterung des Modellangebots. In diesem Jahr soll, durch Veröffentlichung des Plug-In SUV „X01“, die „X Plattform“ eingeführt werden. Beginnend mit diesem Modell sollen sämtliche Fahrzeuge mit der erforderlichen Hardware ausgerüstet sein, um autonomes Fahren auf Level 4 zu ermöglichen. Bereits heute zählt der Xiang One zu den Fahrzeugmodellen in China mit dem umfassendsten Angebot an Assistenzsystemen. Bis zum Jahr 2030 möchte Li Auto das Level 4-Fahren für seine Fahrzeuge erreichen. Zu diesem Zeitpunkt könnte das Unternehmen dann für fast alle abgesetzten Autos zusätzliche Umsätze erzielen, indem Kunden die Aktivierung der verbauten Hardware vorgeschlagen werden kann.

Da sich sowohl Technik als auch Infrastruktur seit Markteinführung des Xiang One bedeutend verbessert haben, muss jedoch auch Li Auto die Transformation zu vollelektrischen Fahrzeugen anstoßen. 2023 soll die „Whale & Shark Plattform“ als Elektrobasis debütieren. Zu diesem Zweck wird derzeit eine neue Fabrik in Peking errichtet, welche eine Jahreskapazität von 500.000 Fahrzeugen aufweisen soll. Die Markteinführung eines ersten reinen E-Autos ist noch für 2023 geplant.

Nach Prognosen von S&P wird der Zielmarkt von Li Auto bis zum Jahr 2025 jährlich durchschnittlich um 35 Prozent wachsen. Laut aktuellem Plan möchte Li Auto bis dahin die eigene Kapazität von derzeit 100.000 auf 700.000 Fahrzeuge erhöhen. Die Modellstrategie deckt nach wie vor geschickt das am stärksten wachsende Marktsegment ab. Die Fokussierung auf wenige Kernmodelle birgt Risiken, hat in der Vergangenheit beispielsweise für Tesla jedoch ebenfalls funktioniert. 

Xpeng: Mit Robotaxis zum Erfolg?

Ein weiteres Unternehmen mit einer beeindruckenden Wachstumsgeschwindigkeit ist der Konkurrent Xpeng. Die 16.000 ausgelieferten Fahrzeuge im Dezember 2021 bedeuten im Vergleich zum Vorjahr ein Umsatzwachstum in Höhe von 181 Prozent. Die Modellpolitik unterscheidet sich von Li Auto. Derzeit verkauft Xpeng drei Modelle. Die sportlich orientierte Limousine P7, die familienorientierte Limousine P5 und das SUV G3. Mit dem Modell G9 ist für das laufende Jahr der Marktstart eines Luxus-SUVs geplant. Der G9 ist hierbei das erste Fahrzeug, das für die internationale Vermarktung vorgesehen ist. Bereits 2022 soll der Marktstart dieses Modells auch in Europa erfolgen.

Mit Hilfe des neuen Modells plant Xpeng für dieses Jahr die Auslieferung von mehr als 200.000 Fahrzeugen, 2021 belief sich der Output auf 98.155 Einheiten. Insbesondere im Vergleich zu Li Auto muss hier angemerkt werden, dass die Umsätze bereits mit vollelektrischen Fahrzeugen erzielt werden, also einem Markt, der sich mittel- bis langfristig stabiler entwickeln dürfte. Kurzfristig ist das politische Risiko in diesem Zusammenhang jedoch erhöht. Sollte die chinesische Regierung die Zuschüsse zu elektrischen Fahrzeugen weiter kürzen, könnte das Unternehmen die prognostizierten Absatzziele verfehlen. In diesem Zusammenhang ist Li Auto weniger anfällig für Regierungsentscheidungen.

Analog zu Li Auto hat auch Xpeng ambitionierte Ziele in Bezug auf das Autonome Fahren. Jedoch weichen hier die Strategien ebenso voneinander ab. Auch das Modell G9 wird erstmals mit der nötigen Hardware für Level 4-Fahren ausgerüstet sein. Xpeng setzt jedoch nicht ausschließlich auf das Privatkundengeschäft. Im zweiten Halbjahr 2022 soll bereits ein Robotaxi-Service die Geschäfte aufnehmen. Das Geschäftsmodell ähnelt hierbei dem klassischen Taxi-Vertrieb. Xpeng plant den Absatz der Fahrzeuge an Taxi-Unternehmer mit spezifischer Betreuung dieser Kundengruppe. Es bleibt jedoch abzuwarten, ab wann die Robotaxis tatsächlich den Alltagsbetrieb aufnehmen können und diese Unternehmenssparte somit tatsächlich Umsätze und Gewinne generieren kann.

In den kommenden beiden Jahren plant Xpeng die Ausweitung seiner Kapazitäten auf jährlich 600.000 Einheiten. Mitte des vergangenen Jahres belief sich die Kapazität noch auf lediglich 100.000 Fahrzeuge, das Unternehmen nähert sich schnell seinem Produktionslimit.

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Besprochene Aktien

Auch in diesen Argumenten enthalten

Li Auto Inc

Chinesischer E-Auto-Produzent. Das erste Modell, der Li ONE ist ein großer, sechssitziger eSUV, der seit Mai 2021ausgeliefert wird.

Xpeng Inc

Der chinesische Elektroauto-Hersteller Xpeng baut verschiedene Elektroautos, darunter die Limousine P7, welche vergleichbar mit Teslas Model S ist. Der Börsengang erfolgte im August 2020. Über die Tochtergesellschaft "HT Aero" arbeitet die Gesellschaft auch an der Entwicklung und Kommerzialisierung von eVTOLs.

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Das Thema Börse beschäftigt mich bereits seit mehr als 10 Jahren. Während des Bachelors der Wirtschaftswissenschaften und des Masters in Betriebswirtschaftslehre konnte ich mich durch mehrere Praktika und Vorstandsarbeit im Arbeitskreis Börse der Uni Mainz stetig weiterbilden. Mich fasziniert die Rolle der Technologie in unserer Gesellschaft sowie die Auswirkungen unserer Gewohnheiten auf die Aktienmärkte. Für Trendlink und weitere Publikationen schätze ich Aktien nun seit knapp 5 Jahren ein.

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