Argumente

VW: neue Kooperationen erwecken Hoffnung

Der VW-Konzern stand mit Blick auf das Autonome Fahren lange Zeit im Schatten der deutschen Konkurrenz, der Konzernumbau hin zur Elektromobilität genoss in den vergangenen Jahren absolute Priorität. Die Bemühungen scheinen sich nun jedoch auch hier zu intensivieren. Im Rahmen der CES 2022 wurde nun eine Kooperation mit MobilEye publik. Konkret wird VW bei Elektro-Fahrzeugen der MEB-Plattform künftig MobilEye Roadbook-Technologie einsetzen. Hierbei handelt es sich um eine Cloud-Datenbank, die den Fahrassistenzsystemen Schwarmdaten zur Verfügung stellt, welche im Kartenmaterial der Fahrzeuge integriert werden. Diese Daten ergänzen das Kartenmaterial um wichtige Details, beispielsweise werden fehlende Straßenmarkierungen um echte Fahrdaten von Fahrzeugen ergänzt, die diese Strecke bereits früher einmal passiert haben. Durch diesen Service sollen Funktionen wie der Spurhalteassistent nochmals erheblich zuverlässiger werden.

Darüber hinaus hat auch der VW-Konzern mit der Entwicklung einer eigenen Software-Plattform für autonomes Fahren begonnen. Dieser Entwicklungsprozess erfolgt in enger Zusammenarbeit mit Bosch und hat als mittel- bis langfristiges Ziel die Umsetzung autonomer Fahrfunktionen des Levels 4. Die grundsätzliche Ausrichtung der Plattform zielt hierbei auf eine komplette Umfelderfassung des Fahrzeugs, die mit Hilfe von KI-Algorithmen die autonomen Fahrassistenzsysteme steuern soll. Die Projektstudie Trinity, die laut Plan im Jahr 2026 debütiert, soll basierend auf der neuen Software bereits Autobahnfahrten des Level 4 ermöglichen.

Das operative Zentrum der Praxis-Erforschung liegt aktuell in Hamburg. Dort testet VW autonome Fahrfunktionen derzeit auf einer Teststecke autonome Fahrzeuge im realen Verkehr. Zeitgleich läuft hier auch der Testbetrieb für den Start eines Ridepooling-Dienstes, der 2025 mit autonom fahrenden VW Buzz an den Start gehen könnte. In der aktuellen Projektphase beschäftigt man sich mit dem Sammeln von Fahrdaten, in naher Zukunft sollen dann Hardware-Test unter Realbedingungen erfolgen. VW zielt mittelfristig wohl auf den Einsatz von Robotaxis.

Mercedes-Benz: der Platzhirsch

Vergangene Woche gab die Daimler AG ihre Namensänderung zur Mercedes-Benz Group AG bekannt und führt hiermit den Konzernumbau, nach erfolgter Ausgliederung der Nutzfahrzeugsparte, weiter voran. Mit dem EQS gelang Mercedes-Benz im vergangenen Jahr ein technologischer Coup im Zusammenhang mit der Elektromobilität, wo steht das Unternehmen aktuell in Bezug auf autonomes Fahren?

Auch die Bemühungen des Stuttgarter Konzern im Zusammenhang mit dem Autonomen Fahren wurden vor allem im vergangenen Jahr bedeutend nach vorne getrieben. Zunächst löste man im Sommer 2020 die Entwicklungskooperation mit BMW, da sich die erhofften Synergieeffekte wohl nicht ausreichend einstellten. Das Entwicklungstempo scheint durch die eingestellte Zusammenarbeit jedoch wenig gelitten zu haben. Im Dezember schaffte es Mercedes-Benz, das System „Drive Pilot“ erfolgreich auf den Standard UN-R157 der UN-Wirtschaftskommission für Europa zu zertifizieren. Auf Autobahnen darf das System die Steuerung des Fahrzeugs bis zu einer Geschwindigkeit von 60 km/h autonom übernehmen. Die Zertifizierung berechtigt Mercedes-Benz als bisher einzigen Hersteller weltweit, ein Fahrzeug mit Fähigkeiten des autonomen Fahrens auf Level 3 zu verkaufen.

Noch in der ersten Jahreshälfte des laufenden Jahres soll das System in der S-Klasse bestellbar sein, der EQS soll möglichst zeitnah ebenfalls ausgerüstet werden. Bisher gilt die Zulassung ausschließlich für den deutschen Markt, Investoren dürften in den kommenden Quartalen gespannt beobachten, wie sich die Zulassungsverfahren in weiteren Märkten entwickeln. Die technologische Basis zur Anpassung auf weitere internationale Straßennetze scheint gegeben, der Testbetrieb läuft vor allem in den wichtigen Zielmärkten in den USA und China bereits.

Währenddessen führt das Unternehmen die Entwicklungsarbeit in ansprechendem Tempo weiter. In speziell ausgerüsteten Parkhäusern sollen in naher Zukunft bereits Park- und Fahrvorgänge des Levels 4 möglich werden. Die Mercedes-Fahrzeuge sollen somit automatisch einen Parkplatz finden und auf Wunsch wieder zum Fahrer zurückkehren können.

Auch in Bezug auf die verwendete Hardware intensivierte Mercedes-Benz zuletzt die Bemühungen. Vor wenigen Tagen wurde eine umfangreiche Kooperation mit dem US-amerikanischen Lidar-Produzenten Luminar bekanntgegeben. Ziel der Kooperation ist die Produktion eines Laser-Radarsystems zum Einsatz in PKWs innerhalb eines Kostenrahmens zwischen 500 und 1.000 US-Dollar. Im Rahmen der Zusammenarbeit erwarb Mercedes-Benz zugleich 1,5 Millionen Luminar-Aktien und könnte zukünftig somit auch vom Absatz der Hardware an konkurrierende Hersteller profitieren.

BMW: der Verfolger

Der BMW iX soll für den Münchner Fahrzeugbauer nicht nur hinsichtlich der Elektromobilität einen Meilenstein darstellen, sondern auch bezüglich autonomer Fahrfunktionen einen wesentlichen Entwicklungsschritt bedeuten. Das neue Modell wurde für autonome Fahrfunktionen des Levels 3 ausgelegt und besitzt die konzernweit breiteste Serienausstattung an Assistenzsystemen. Die neuentwickelte Plattform entstand in Zusammenarbeit mit namhaften Partnern, darunter MobilEye, Intel und Ansys.

Die bestehende Kooperation mit Blackberry wurde Ende vergangenen Jahres bedeutend ausgeweitet. Das Ziel der Zusammenarbeit ist die Entwicklung von Technologien als Basis für autonome Fahrfunktionen zukünftiger Fahrzeuggenerationen. Blackberry bringt in das Joint Venture seine QNX-Technologie ein. Hierbei handelt es sich um ein Echtzeit-Betriebssystem, dass die Software-Grundlage der Systeme bilden soll. An dieser Stelle deutet sich an, dass auch BMW zukünftig auf Umsätze mit dem Absatz der eigenentwickelten Systeme abzielen könnte. QNX ist weltweit bei 45 Fahrzeugherstellern im Einsatz, bereits heute sind fast 200 Millionen Fahrzeuge mit dem Betriebssystem ausgerüstet. Dieser Umstand würde die Integration bei anderen OEMs erleichtern und den Absatz der Systeme somit bedeutend vereinfachen.

Die Software selbst wird voraussichtlich auf Chips aus dem Hause Qualcomm aufgebaut werden. Auch hier vertiefte BMW im vergangenen Jahr eine bereits bestehende Partnerschaft. Aktuell umfasst das Portfolio des Automobilproduzenten 45 Ausstattungsmerkmale, die den Fahrer im Alltag assistieren. Diese Systeme beziehen sich jedoch alle maximal auf autonomes Fahren des zweiten Levels, bezüglich der Markteinführung von Fähigkeiten des Levels 3 zeigte sich der Entwicklungsleiter Dr. Nicolai Martin im vergangenen Jahr noch zurückhaltend.

Die technische Umsetzung scheint, wie oben beschrieben, Form anzunehmen
. Bezüglich der Entwicklung der Software scheint BMW gegenüber Mercedes-Benz jedoch noch Aufholbedarf zu besitzen. Aus diesem Grund sammelt das Unternehmen seit 2019 auch Fahrdaten von Kundenfahrzeugen, sofern die Kunden der Maßnahme zugestimmt haben. Auf rund 250 Millionen Kilometer soll sich der verwertbare Datenstamm zum Training der künstlichen Intelligenz mittlerweile belaufen. Die praktische Erprobung der Fahrzeuge erfolgt währenddessen auf einem speziell präparierten Testcampus im bayrischen Oberschleißheim.

Technologisch ist Mercedes-Benz derzeit wohl vor BMW einzuordnen, vor allem aufgrund der in naher Zukunft geplanten Einführung des Drive Pilot als Level-3 System. Für Aktionäre dürfte dieser Umstand jedoch weniger relevant sein, als es zunächst den Anschein hat. Auch BMW vermarktet die bisher entwickelten Systeme profitabel, bezüglich der Zuverlässigkeit der Systeme agieren beide Hersteller auf einem hohen Niveau. Die Erreichung des Level 3 ist für den Fahrer angenehm, das Geschäftsmodell ändert sich für einen Automobilproduzenten hierdurch aber nicht. Vollautonomes Fahren der Stufe 5 ermöglicht einen autonomen Einsatz der Fahrzeuge und erschließt diverse neue Geschäftsfelder, wie beispielsweise den Taxi-Betrieb der Autos. Solange die Entwicklungslücke auf dem Weg zu dieser Funktionalität nicht zu groß wird, können sich Anleger in den kommenden Jahren bei ihrer Entscheidung zwischen beiden Unternehmen auf weitere Investment-Argumente fokussieren.

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Besprochene Aktien

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Mercedes-Benz Group AG

Die Mercedes-Benz Group AG ist einer der größten Automobilhersteller im Premiumbereich, verfügt mit Smart aber auch über eine attraktive Kleinwagenmarke. Durch die Beteiligung an EADS bestehen noch immer Verbindungen zur Luft- und Raumfahrt.

Volkswagen AG

Automobilkonzern mit Produkten vom Kleinwagen bis zum Luxus-PKW oder LKW mit den Marken: VW, Audi, Porsche, SEAT, Skoda, Bentley, Bugatti, Lamborghini und Scania. In Westeuropa stammen ca. 20% aller PKW von Volkswagen. Der Konzern betreibt über 60 globale Fertigungsstätten zählt somit zu den führenden Automobilkonzernen der Welt.

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Das Thema Börse beschäftigt mich bereits seit mehr als 10 Jahren. Während des Bachelors der Wirtschaftswissenschaften und des Masters in Betriebswirtschaftslehre konnte ich mich durch mehrere Praktika und Vorstandsarbeit im Arbeitskreis Börse der Uni Mainz stetig weiterbilden. Mich fasziniert die Rolle der Technologie in unserer Gesellschaft sowie die Auswirkungen unserer Gewohnheiten auf die Aktienmärkte. Für Trendlink und weitere Publikationen schätze ich Aktien nun seit knapp 5 Jahren ein.

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