Argumente

Radikaler Wandel!

Das Thema Homeoffice kann quasi in drei Teile separiert werden - vor, während und nach Corona. Der nachfolgende Artikel stellt die Besonderheiten und wichtige Fakten der jeweiligen Phase heraus.

#1 Davor

Im Februar beziehungsweise März 2020 brach die erste Covid-Welle auch hierzulande herein. Bis dahin war das Thema Homeoffice den allermeisten Arbeitnehmern in Deutschland unbekannt. Nur wenige hatten ab und zu das Privileg, von zuhause aus arbeiten zu dürfen und sich dadurch beispielsweise weite und mitunter nervenaufreibende Pendlerwege einzusparen. Eine Umfrage von Eurostat fand heraus, dass im Jahr 2019 nur etwa 5% der Beschäftigten in Deutschland in den Genuss kam, regelmäßig mobil zu arbeiten, während weitere 7% zumindest gelegentlich aus den eigenen vier Wänden und die überwiegende Mehrheit von knapp 87% nie im Homeoffice ihre Arbeit verrichtete. Diese Werte dürfen auch als repräsentativ für die Vorjahre angesehen werden. In jedem Fall lohnt sich jedoch ein Blick auf andere Länder, um zu erkennen, wie das Thema Homeoffice dort Anklang findet.

Die Finnen oder Niederländer arbeiteten vor der Pandemie mit circa 15% rund dreimal so häufig von zuhause aus wie die Deutschen. Auffällig ist darüber hinaus, dass vor allem die am besten ausgebildeten Arbeitnehmer die Möglichkeit, zumindest hin und wieder mobil zu arbeiten, in Anspruch nahmen. Gleichzeitig sei anzumerken, dass vor Covid-19 nach eigener Aussage zwar fast 40% der Unternehmen Homeoffice anboten, dies von Seiten der Belegschaft jedoch nur unzureichend wahrgenommen worden sei. Dies ist entweder auf unternehmenskulturelle Faktoren selbst oder individuelle Präferenzen der Arbeitnehmer zurückzuführen. Weiterhin sind klare Unterschiede der Verbreitung von Homeoffice zwischen den Branchen zu beobachten. Gemäß der European Labor Force Survey zeigte sich der Informations- und Kommunikationssektor dem mobilen Arbeiten gegenüber am offensten, wobei circa zwei Drittel der Arbeitnehmer ab und zu aus den eigenen vier Wänden arbeitete. Im Handel oder der Finanzindustrie bewegte sich der Wert wiederum auf niedrigeren Levels zwischen einem Fünftel und einem Drittel.

#2 Während

Auf dem Höhepunkt der Pandemie konnten sich nicht einmal mehr die härtesten Gegner von Homeoffice gegen diese neue Arbeitsform sträuben, zumal von Seiten der Politik ebenfalls klare Regeln gemacht wurden. Quasi von einem auf den anderen Tag mussten ganze Weltkonzerne von Präsenz- auf Online-Zusammenarbeit umstellen, was manchem äußerst schwierig fiel, insbesondere dort, wo normalerweise der direkte Kundenkontakt dominiert beziehungsweise sich mobiles Arbeiten ohnehin als schwer umsetzbar herausstellt. 

Während des ersten Lockdowns schließlich waren nach Erkenntnissen der Mannheimer Corona-Studie sowie einer Bitkom-Umfrage rund 25% aller Beschäftigten vollständig im Homeoffice, eine weitere Hälfte verlagerte den Schreibtisch zumindest zeitweise in die eigenen vier Wände. Diese Untersuchungen waren repräsentativ und schlossen demnach auch Arbeitnehmer mit ein, die sich entweder in Kurzarbeit, Freistellung oder in Berufen, in denen Homeoffice grundsätzlich nicht möglich ist (Arzt, Supermarktkasse, Polizist) befunden haben. Bis zum Juli 2020 hatte sich die Lage allerdings in großen Teilen schon wieder normalisiert, sodass etwa zwei Drittel der Beschäftigten an ihren gewöhnlichen Arbeitsplatz zurückkehrte und nur noch 5% vollumfänglich aus dem Homeoffice arbeitete. Das untenstehende Diagramm der Mannheimer Corona-Studie zeigt die Daten aus dem Sommer 2020.

Eine Umfrage, die kurz zuvor von Stepstone erhoben wurde, offenbarte zudem, dass sich der Großteil der Arbeitnehmer auf die Rückkehr ins Büro freuen würde. So empfanden es damals beispielsweise 60% als positiv, in Kürze an die eigentliche Arbeitsstätte zurückkehren zu dürfen. Parallel verfestigte sich ein ebenfalls aufsehenserregender Trend, der möglicherweise noch großen Einfluss in der Zukunft haben könnte. Knapp die Hälfte der Befragten wünschten sich, künftig frei oder zumindest freier über ihren Arbeitsort verfügen zu dürfen. Eine weitere Untersuchung von Gartner fand zudem heraus, dass 75% der CFOs flexiblere Arbeitsmodelle in den nächsten Jahren als Chance nutzen wollen.

#3 Danach

Das, was die meisten jetzt am stärksten interessieren dürfte, ist die Frage, inwiefern sich der gewissermaßen erzwungene Trend hin zu Homeoffice in Zukunft verfestigen wird. Rückblickend wird definitiv klar, dass das gesamte Potenzial des mobilen Arbeitens zu keinem Zeitpunkt vollständig ausgeschöpft war. Das ifo-Institut beispielsweise geht davon aus, dass 56% aller in Deutschland tätigen Arbeitnehmer grundsätzlich von Zuhause aus arbeiten könnten.

Was festzuhalten ist, dürfte vor allem die Tatsache sein, dass Corona als Akzelerator für mobiles Arbeiten wirkte. Viele Prozesse wurden in rapidem Tempo digitalisiert, weiterhin stehen beispielsweise mit Video-Konferenzen nun neue Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung. Chancen für Firmen, ihr Angebot an Homeoffice künftig auszubauen, gibt es jedenfalls reichlich. Es werden voraussichtlich vor allem die wissensintensiven Branchen rund um Finanzdienstleistungen, Information oder Kommunikation sein, die verstärkt auf digitale Arbeitsmethoden setzen könnten. Letztlich ist die Entfaltung des Potenzials allerdings immer auch eine Frage davon, wie viele Unterstützer das Thema innerhalb eines Unternehmens hat. 

Nicht abzustreiten sind überdies die Auswirkungen mobilen Arbeitens auf die Führung von Mitarbeitenden sowie die generelle Zusammenarbeit. Vorgesetzte müssen sich schon heute darauf vorbereiten, wie sie langfristig auch auf Distanz führen wollen. Abschließend ist nicht zu vergessen, dass persönliche Interaktion stets als Kreativitäts- und Motivationsboost erachtet werden darf und es somit aller Voraussicht nach nicht zu einer vollständigen Abkehr gewöhnlicher Arbeitsmodelle kommen wird. Vermutlich wird es stattdessen auf einen gesunden Mix zwischen Anwesenheit im Büro sowie festen Homeoffice-Tagen kommen. 

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