Die steigende Inflation sowie eine sich insgesamt abschwächende Wirtschaft drücken derzeit spürbar auf die Stimmung der Investoren. Der Ausverkauf vieler Aktien ist in vollem Gange. Für einige stellt sich zum aktuellen Zeitpunkt daher die Frage, ob man der Börse noch trauen kann oder lieber Abstand nehmen sollte.
Pauschal zu beantworten ist diese Problematik natürlich nicht. Man könnte sich zur besseren Orientierung allerdings an manchen Indizes halten. Beispielsweise lohnt der Blick auf den FTSE 100, der alleine zwischen dem 08.06 und dem 20.06 um signifikante 7% einbrach. Wirklich Lust auf eine Anlage auf dem Kapitalmarkt macht das selbstverständlich nicht. Trotzdem sollten allein die Umstände nicht ausschlaggebend sein, ob Aktien nun gekauft werden oder nicht.
Schließlich ist es zwar wichtig, einen möglichst vorteilhaften Zeitpunkt für eine Finanzanlage zu wählen. Deutlich entscheidender ist jedoch, was am Ende gekauft wird. Qualitativ hochwertige Unternehmen, die über eine solide Finanzierung verfügen, dürften auch wirtschaftlich herausfordernde Zeiten meistern. Zu vergessen ist zudem nicht, dass einige Sektoren unter den derzeitigen Rahmenbedingungen tendenziell besser abschneiden als andere. Eine grobe Selektion nach Branchen kann demnach durchaus Sinn machen und sollte in Erwägung gezogen werden. Während der Pandemie profitierten unter anderem Technologiefirmen, Reisekonzern litten parallel. Nun aber hat sich das Blatt gewendet. Es sind in erster Linie die wachstumsstarken und auf Fremdkapital angewiesenen Unternehmen, die unter den steigenden Kreditzinsen ächzen. Versierte Anleger haben auf diese grundlegenden Änderungen bereits reagiert und ihr Portfolio entsprechend umgeschichtet.
Auch im Alltag lassen sich erste Hinweise finden, wie sich manche Branche demnächst wohl entwickeln könnte. Selbstverständlich sind solche Herangehensweisen ausschließlich als Annäherungsversuche zu verstehen und sollten nicht als Grundlage dazu dienen, umfangreiche Investitionen zu tätigen. Doch die allgemein steigenden Lebenshaltungskosten implizieren nun einmal, dass dem Großteil der Bürger am Monatsende weniger Geld zur Verfügung steht. Somit dürften auch teure Luxusmarke zunehmend in Bedrängnis geraten, ihre Produkte im selben Umfang wie vorher abzusetzen. Im Gegenzug sollten die negativen Folgen für Basiskonsumgüter und Unternehmen wie Lebensmitteleinzelhändler so gut wie nicht existent sein.
Wieso ist es zuletzt aber eigentlich zu einem solch starken Abverkauf der Märkte auf breiter Front gekommen? Dazu sollte man vor allem einen Blick auf die unverändert hohe Inflationsrate werfen, deren Eindämmung und sukzessive Absenken die Aufgabe der Zentralbanken werden wird. Die EZB hielt sich mit der Stabilisierung des Preisniveaus in letzter Zeit jedoch verhältnismäßig stark zurück und heimste dafür viel Kritik ein. Erst in diesem März waren die Börsen unter großen Druck geraten, als die russische Invasion in die Ukraine begann und die geopolitische Lage damit gehörig ins Wanken brachte. Börsen hassen Unsicherheit bekanntlich. Die weltweiten Kapitalmärkte waren quasi seit Beginn der Pandemie ohnehin schon sehr volatil.
Kann man vielleicht trotz allem mit Optimismus in die Zukunft und auf die weitere Entwicklung der globalen Märkte blicken? Sicherlich, dafür gibt es sogar manch relevanten Grund.
So haben unter anderem die Auffrischimpfungen dazu geführt, dass sich viele Bereiche des täglichen Lebens wieder stabilisiert haben und auch die Konsumlaune der Verbraucher angekurbelt wurde. Vor allem die Zunahme im Handel war deutlich spürbar.
Auch viele derjenigen Branchen, die vom Lockdown und den Zwangsschließungen besonders hart getroffen worden waren, können nun wieder mit mehr Zuversicht nach vorne blicken. Die Menschen haben Lust aufs Reisen, aufs Erleben und Sammeln einzigartiger Erfahrungen, wovon in erster Linie Tourismusanbieter profitieren dürften.
Ebenfalls regenerieren sich die in den letzten Jahren stark zugenommenen Transaktionen und Übernahmen, worüber sich nicht zuletzt die M&A Banker freuen werden. Die Möglichkeiten zur Einfädelung solcher Deals sind vorhanden und werden auch aktiv gesucht.
Anleger sollten außerdem nicht vergessen, dass die Pandemie einigen Branchen einen regelrechten Anschub verliehen hat. Diese konnten und können nun zeigen, wie viel Potenzial in ihnen wirklich steckt. Gemeint sind dabei zum Beispiel Bereiche wie E-Commerce und/oder Biotech. Genau hinsehen kann sich also definitiv lohnen.
Zwar haben sowohl die FED als auch die EZB sowie weitere nationale Zentralbanken in den vergangenen Wochen und Monaten angekündigt, ihre Leitzinsen erhöhen zu wollen. Dennoch sind diese im Großen und Ganzen nach wie vor auf einem niedrigen Niveau, insbesondere im historischen Vergleich. Damit dürften viele weiterhin zum ausgelassenen Konsum angetrieben werden, was letztlich auf der Gesamtwirtschaft zugute kommt.
Auf der anderen Seite ist klar, dass Vorsicht und Zurückhaltung an der Börse nicht immer verkehrt sind. Auch zu den aktuellen Zeiten bietet es sich durchaus an, manchmal einen Schritt zurückzutreten und die Angelegenheiten in Ruhe zu reflektieren.
Nicht zuletzt der anhaltende Ukraine-Krieg kann sich noch deutlich negativer auf Unternehmen aller Art und aller Größe auswirken, als es zurzeit scheint. Insbesondere die Gasknappheit sowie die enorm hohen Energiepreise dürften mit verantwortlich sein, wenn hier und da die Gewinnmargen dahinschmelzen und die Kosten in die Höhe schnellen. Erste Konzerne wollen nun sogar ihre Mitarbeitenden ins Homeoffice schicken, um die Büroflächen weniger heizen zu müssen.
Im Sommer mag es nicht so scheinen, doch die Corona-Pandemie ist noch immer existent. Neue Varianten könnten unter Umständen zu höheren Infektionszahlen sowie den damit einhergehenden Konsequenzen führen. Welche Folgen das wiederum für manche angeschlagene Firmen haben könnte, lässt sich nur erahnen.
Kaum etwas ist hierzulande derart gegenwärtig wie die Inflation. Ständig hört, sieht und spürt man sie. Selbst Normalverdienende bekommen zusehends Schwierigkeiten, solide zu wirtschaften. Bei nicht wenigen reicht das Geld am Monatsende sogar nicht mehr aus, um offene Rechnungen zu begleichen. Dass dann kaum oder kein Kapital für Konsum übrig ist, sollte jedem klar sein. Der Handel könnte dies bitter zu spüren bekommen, vor allem die kleinen Anbieter wären dann wieder betroffen.
Zuletzt sei nicht zu vergessen, dass staatliche Unterstützungspakete, die vielerorts zur Abfederung der Pandemiefolgen zum Einsatz kamen, nicht ewig aufrechterhalten bleiben. Konzerne, die es bis jetzt nicht geschafft haben, wieder selbstständig auf die Beine zu kommen, sollten sich also ernsthaft Strategien zum Überleben ausdenken.
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